Für nichts verantwortlich, aber an allem Schuld. Klingelt's?
"Wegen kurzer Röcke und tiefer Dekoltees" hört man seit gestern wieder mal in den Medien – auch den öffentlich-rechtlichen. Und, wer hat's erfunden? Ob wir Frauen nun daran Schuld sein sollen, dass ungefragt Bild- und Videoaufnahmen von uns und unseren Körpern gemacht werden oder ob wir Schuld daran sind, dass eine Beziehung nicht "gelingt". Sind diese Inhalte nicht eher Platzhalter?
Angeregt durch eine Diskussion von
Skye (via
maedchenmannschaft),
sind mir Szenen aus meiner eigenen Erfahrungswelt eingefallen. Skye oder
JennyDreck regt sich darüber auf, dass in einer aktuellen „So-wollen-wir-die-Frauen-haben Zeitschrift“
(anders kann ich diese Verschwendung natürlicher Ressourcen nicht nennen)
Ehetipps für die vermeindlich moderne Frau gegeben werden, die – gut von ihr beobachtet – einfach nur
gestrig sind. Bei diesem Zitat aus der Zeitschrift sind
meine Synapsen angesprungen:
„Gab es mal Streit, zählte nur eine
Meinung: Seine! Für uns klingt das heute unvorstellbar. Doch offenbar hat diese
Art der Partnerschaft gut geklappt: Die Scheidungsrate lag in den 50er Jahren
bei etwa 12 Prozent, während heute fast jede zweite Ehe in der Trennung endet. Lag
es daran, dass Paare kaum eine Chance hatten, etwas zu ändern? Oder kannten
unsere Mütter Tricks, von denen wir heute lernen können? Wie so oft liegt die
Wahrheit wohl in der Mitte."
Vielleicht meldeten sich die Synapsen auch, weil ich vor Kurzem mal wieder
Hannelore Voniers Matriarchats-Seite besucht habe. Dort erläutert sie u.a. die
Entstehung der patriarchalen Institution der Ehe. Denn Ehe, wie wir sie heute
kennen, ist eine kulturelle Erfindung (auch
hier nachzulesen), die es nicht immer gab. Und heute auch
nicht so überall gibt (siehe
Mosuo in China). Die Lektüre kann ich nur sehr empfehlen.
Ich hatte immer schon meine Schwierigkeiten
nachzuvollziehen, wieso meine Mit-Mädchen und -Frauen so wild auf’s Heiraten
sind. Mit all dem, was das Bild der Ehe so enthält. Vor allem, weil ich die
meisten verheirateten Frauen (dies gilt im Übrigen auch für langjährige
Beziehungen) nur klagen höre. Auf der anderen Seite die große Hysterie,
ja nicht zu lange Single zu sein – die Leute könnten sich ja fragen, was da mit
ihnen nicht stimmt. Aber dies ist ein anderes Thema.
Was mir zu dem Zitat aus der Zeitschrift einfiel, war folgendes: Eine Zeit lang
bin ich häufig Bahn gefahren und bin genauso häufig mit anderen Reisenden ins
Gespräch gekommen. Insbesondere hatten es mir die illustren Damen-Runden
angetan jeglicher Altersstufe, aber auch generell ältere Reisende.
Nach ein wenig Small-Talk hab ich sie hin und wieder dies hier gefragt:
„Sagen
Sie mal, wir jungen Leute haben da ja so unsere Schwierigkeiten, wie haben Sie
das geschafft, so lange verheiratet zu sein. In meinem Alter lässt sich jeder Dritte scheiden?“
Die Antworten, die ich dann teilweise mit offenem Mund zu hören bekam, lassen
sich durch diese beiden gut zusammenfassen:
1.
„Ach, wir beneiden euch jungen Frauen doch so. Ihr könnt doch alles machen,
was ihr wollt, euren Spaß haben ohne euch an einen Mann binden zu müssen!“ (mit
wildem Gekicher) und
2.
„Wieso wir so lange verheiratet sind? Weil wir mussten. Wir hatten ja keine
andere Wahl!“
Bei dieser letzten Antwort saß der Ehemann sogar daneben. Ich
war mehr als erstaunt über diese bitterernste Antwort, den Mut – nun ja,
vielleicht war es auch eher Gram oder Verzweiflung.
Und sowieso: Wieso wird eine lange Ehe als Erfolg, ja sogar als Leistung,
betrachtet, die meinem Empfinden nach eher am „Geschick“ (alternativ auch der
Unterwerfungs-, Dien-, und Schweigebereitschaft) der Frau liegen soll? Dieser Zeitschrift-Artikel stellt es da auch nicht anders dar. Soziale Kompetenz – geschenkt! Aber enge menschliche
Beziehungen als Leistungsbereich?